Römische Kampftaktiken

In den Jahren der frühen Republik, während Rom fast ununterbrochen Kriege gegen seine Nachbarn führte, entstand die Manipulartaktik: Eine Legion (zunächst wurden zwei ausgehoben, jede unter dem Kommando eines der Konsuln) teilte sich in drei ‚Treffen‘, d. h. drei aufeinanderfolgende Schlachtreihen (triplex acies) – in der ersten Reihe die jüngsten (hastati), in der zweiten Reihe erfahrene Kämpfer (principes), in der dritten als Reserve die ‚Veteranen‘ (triarii). Jede dieser Schlachtreihen war wiederum in zehn ‚Manipel‘ geteilt, jedes bestehend aus zwei Zenturien mit rund 80 Mann. Unter dem Kommando der beiden Zenturionen konnten die Manipel als voneinander unabhängige taktische Einheiten agieren und etwa auf Umfassungen der Schlachtreihe oder Durchbrüche des Gegners flexibel reagieren.

 

In der Grundaufstellung der Legion blieben Lücken zwischen den Manipeln. Durch diese konnten sich etwa die leichten Truppen (velites) zurückziehen, nachdem sie den Feind mit ihren Wurfsperren und Schleudern traktiert hatten. Die hintere der beiden Zenturien eines jeden Manipels marschierte danach in die Lücke und schloss die Schlachtreihe. Genauso konnte sich das erste Treffen hinter das zweite zurückziehen und neu formieren, während dessen frische Truppen den Kampf weiterführten. Die von den wohlhabendsten Bevölkerungsteilen gestellte Reiterei (equites) hatte wie die leichte Infanterie in erster Linie Unterstützungsaufgaben zu erfüllen.

 

Ausgerüstet waren die Legionäre der ersten beiden Treffen mit Scutum, Wurfspeeren (pila) und dem Breitschwert (gladius) als Hauptwaffe. Beim Angriff wurden zuerst die Speere geworfen, deren lange und dünne Spitzen sich beim Aufprall verbogen und daher nicht zurückgeworfen werden konnten. Die mit Widerhaken versehenen Spitzen blieben oft in den gegnerischen Schilden stecken und machten diese unbrauchbar. Im Nahkampf duckte der Legionär sich hinter seinen Schild und stach mit dem Schwert dahinter hervor.

 

Ein weiterer Vorteil der Manipeltaktik war neben der taktischen Flexibilität ein psychologischer: Der Kampf Mann gegen Mann auf engstem Raum war nicht nur physisch, sondern auch psychisch erschöpfend. Während in der Phalanx jeder Kämpfer auch in den hinteren Rängen unmittelbar am Kampfgeschehen beteiligt, der Verletzungsgefahr zumindest durch Wurfgeschosse ausgesetzt und Rückzug gleichbedeutend mit einer Niederlage war, konnten sich die Legionäre der einzelnen Treffen nacheinander in die Schlacht werfen und daraus oft auch wieder heil zurückziehen.

 

Umgekehrt muss es für die Gegner frustrierend gewesen sein, wenn sie, kaum dass sie eine Schlachtreihe zum Rückzug gezwungen hatten, einer neuen ‚Wand‘ aus Legionären gegenüberstanden. Nicht umsonst lautete eine lateinische Phrase, die auch im Alltagsgebrauch zur Umschreibung einer verzweifelten Situation verwendet wurde: „inde rem ad triarios redisse“ (etwa: „nun ist es an den Triariern, also dem dritten Treffen, zu kämpfen“).

 

Im dritten Jahrhundert vor Christus wurden die Kohorte als neue und bis in die Kaiserzeit bestimmende taktische Untergliederung einer Legion eingeführt: Je ein Manipel des ersten, zweiten und dritten Treffens wurden zu einer Kohorte zusammengefasst, eine Legion bestand also aus zehn Kohorten zu knapp 500 Mann. Kohorten wurden auch unabhängig in Situationen eingesetzt, die nicht die Anwesenheit einer ganzen Legion erforderten. Allerdings gab es keinen Kohortenkommandanten – die Befehlsgewalt blieb bei den Zenturionen der einzelnen Zenturien (wohl weil das im Schlachtgetümmel die größte Anzahl an Männern darstellte, die von einem einzelnen effektiv geführt werden konnte).

 

In geschlossener Schlachtreihe wurde nur mehr selten gekämpft. Die Manipel bildeten jedes für sich eine starke Verteidigungsposition (z. B. bei Beschuss in der ‚Schildkrötenformation‘ testudo), Feinde, die in die Intervalle zwischen den Manipeln eindrangen, sahen sich Angriffen von drei Seiten ausgesetzt (von den beiden benachbarten Manipeln und dem hinter der Lücke aufgestelltem Manipel des zweiten Treffens). Auch die leichte Infanterie und die Kavallerie konnten immer wieder vorstossen, und es war möglich, Verstärkungen an die Frontlinie zu bringen und erschöpfte Einheiten zurückzuziehen.